Hücker & Hücker - Prüfen. Lernen. Vertrauen.

Prüflabor

Ungeliebtes Stiefkind: Hygiene in der Zahnarztpraxis

Zahnarztpraxis - Bore

Was ist rechtlich erforderlich, was sinnvoll und was verzichtbar?

Hygiene ist ein Stiefkind vieler Zahnärzte – auch wenn sie es nicht gerne hören. Und viele Ärztefunktionäre tragen dazu bei, dass dies auch so bleibt, nicht überall, aber in einigen Regionen Deutschlands – und immer noch häufiger, als eigentlich vertretbar ist. Viele Zahnärzte verlassen sich auf sie – und sind im Ernstfall verlassen.

Die Validierung von Aufbereitungsprozessen halten manche Funktionäre und Zahnärzte immer noch für überflüssig – von der Erfordernis einer ausreichenden fachlichen Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen zu Sterilgutassistentinnen durch qualifizierte Kurse nach Vorgaben des RKI (Robert-Koch-Institut) ganz zu schweigen. "Das machen wir doch selbst, in zwei Tagen, und es kostet nur 280 Euro", argumentieren sie.

Warum gibt es diese Einstellung und warum ist sie noch so weit verbreitet? Ich bin der Ansicht, dass sich viele Zahnärzte überfordert, ja von der Gesetzgebung überrumpelt fühlen. Es gibt immer neue Vorschriften: Sie fragen sich, wann hat das mal ein Ende? Und sie fühlen sich von ihren Funktionären in Stich gelassen, denn die gesetzlichen Anforderungen kamen nicht über Nacht, sondern wurden jahrelang in den Gremien, in denen die Funktionäre sitzen und Einfluss nehmen konnten, diskutiert.

Mediziner haben studiert, um Menschen zu helfen, nicht um mit einem Drittel ihrer Zeit bürokratische Vorschriften abzuarbeiten. Dazu sind sie im Allgemeinen weder ausgebildet noch hinreichend qualifiziert. Von den damit verbundenen Kosten ganz zu schweigen. Schließlich reichen schon die kaum noch nachvollziehbaren bürokratischen Abrechnungsprozeduren, für deren richtige Anwendung man schließlich teure Seminare besucht – aber dafür bekommt man wenigstens anschließend mehr Geld. Doch Hygiene und Qualitätsmanagement, das kostet doch nur. So endet es zumeist damit, dass aus Haftungsgründen bestimmte Anforderungen formal erfüllt werden, um seine Ruhe zu haben, aber nicht aus Überzeugung.

Geld

Im vergangenen Jahr erzählte mir ein Zahnarzt, er habe für sein Qualitätsmanagementsystem fast 20.000 Euro ausgegeben. Und nun hört er von mir, dass das, was er macht, nicht in Ordnung ist. Das ist für ihn zu viel: Er werde nichts mehr tun, sondern sein Geld lieber für einen eventuellen Prozess vor Gericht zurückstellen, zumal der unwahrscheinlich sei, denn er arbeite schließlich seit vielen Jahren qualitätsbewusst.

Die Folge solcher Einstellungen: Es besteht die Gefahr, von unseriösen Anbietern dieser Dienstleistungen ausgenutzt und über den Tisch gezogen zu werden, denn Leistungsumfang und die Berechtigung der Kosten lassen sich nicht einschätzen und, da man ja Einzelkämpfer ist, kooperiert man auch nicht mit Kollegen, die das gleiche Problem haben.

Kurz: Wer mehr als 4.000 Euro für ein gelebtes, der Organisation der Praxis nutzendes QM-System ausgegeben hat, hat zu viel gezahlt. Was man mit der Differenz von 16.000 Euro alles anfangen könnte. Häufig unternehmen Zahnärzte mehr, als gesetzlich notwendig ist. Verkäufer von patientenbezogenen Chargenkontrollsystemen in der Medizinprodukteaufbereitung oder von Dokumentationssoftware können schließlich sehr überzeugend sein. Ob die gelieferte Lösung immer ihr Geld wert ist, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Die vordringlichen Fragen sind: Was wird gesetzlich gefordert? Wie kann man die Anforderungen an die Hygiene in nutzbringender Weise erfüllen? Und was kostet es?

Es gibt zwei Gründe, warum die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden sollten. Erstens: Aus Gründen der Rechtssicherheit.  Denn Vorsatz und Fahrlässigkeit bei der Nichtbeachtung von Gesetzen lassen sich nicht versichern. Im Ernstfall zahlt der Zahnarzt, wenn ein Patient prozessiert und behauptet, er hätte seine Infektion beim Zahnarzt bekommen.

Ein Richter hat zumeist wenig Ahnung von Hygiene. Ihn interessiert nur die Erfüllung des Gesetzes. Und daher wird er folgende Fragen stellen:

- Haben Sie ein gelebtes Qualitätsmanagementsystem in Ihrer Praxis?

- Können Sie nachweisen, dass Ihre Mitarbeiterinnen für die Aufbereitung von Medizinprodukten gemäß RKI-Empfehlung den geforderten Sachverstand haben?

- Sind die maschinellen Aufbereitungsprozesse validiert?

Und wer einmal mit „Nein“ antworten muss, den kostet dies Geld. Vielleicht im Wiederholungsfall auch die Existenz. Ist es das wert?

Der zweite Grund ist, dass die Behörden immer häufiger Begehungen in den Praxen durchführen, in einigen Bundesländern mehr, in anderen weniger – aber inzwischen gibt es eine Arbeitsgruppe der Länder, welche die Anforderungen und die Häufigkeit solche „Besuche“ harmonisiert. Wenn Ihre Praxis einmal aus hygienischen Gründen seitens einer Behörde geschlossen wird, weil Sie bestimmte gesetzliche Anforderungen nicht erfüllt haben – und das ist keine Theorie, sondern gelebte Praxis – können Sie eigentlich nur noch auswandern.